Die neue Formel-1-Saison hat eine Revolution im technischen Reglement mit sich gebracht: Im Vergleich zu den Autos aus dem Jahr 2021 sehen die aktuellen Monoposti ganz anders aus und lassen sich auch komplett anders fahren – im offiziellen F1-Spiel sieht es nicht anders aus: Zum ersten Mal seit der Übernahme von Codemasters wurde der neue Titel komplett unter Beteiligung von EA entwickelt. Das Ergebnis ist F1 22. Spoiler-Alarm: Porpoising ist nicht enthalten.
Änderungen auf und abseits der Strecke – das neue F1-Spiel wird mit damit anders aussehen und sich anders anfühlen als seine Vorgänger. Die schnittigeren Autos nutzen die Bodeneffekt-Aerodynamik und sind lebendiger als die Vorgängergeneration, was bedeutet, dass sie recht anstrengend zu fahren sein können. Dennoch sind sie immer noch Hightech-Maschinen – ERS und DRS sind weiterhin an Bord, genau wie bei den echten Autos.
Wiederkehrende SimRacer werden weitere vertraute Elemente vorfinden: Das Menü ist ähnlich strukturiert wie in der letztjährigen Ausgabe und unterstützt ärgerlicherweise immer noch keine Maussteuerung – herauszufinden, welche Taste was auf dem Lenkrad bewirkt, kann mühsam sein, sollte aber einfach genug zu merken sein, wenn man es einmal herausgefunden hat.
Spielmodi
In der Zwischenzeit ist der viel gelobte Braking-Point-Story-Modus aus F1 2021 verschwunden. Stattdessen feiert ein neuer Modus namens F1 Life sein Debüt: In einem virtuellen Zuhause können SimRacer mit gewonnenen Auszeichnungen prahlen, das Aussehen ihres individuellen Fahrers sowohl für Rennen als auch für die Freizeit verändern und entscheiden, welchen Supersportwagen sie auf den Fliesen ihres Wohnzimmers parken wollen.
Das Hinzufügen von straßentauglichen Supercars wurde bereits im Vorfeld angekündigt, aber sie sind nicht nur teure Zierde: Im Karrieremodus des Spiels stößt der Spieler von Zeit zu Zeit auf Pirelli Hot Lap-Events. Dabei kann er zwischen zwei Optionen wählen: einer Durchschnittsgeschwindigkeitszone, in der er auf einem Teil der Strecke eine bestimmte Durchschnittsgeschwindigkeit erreichen muss, und dem Drift-Modus, in dem er Punkte für das Driften seiner teuren Maschinen erhält. Um Zugang zu den Autos zu erhalten, muss der Spieler sie mit Supercar-Tokens freischalten, die er für Leistungen wie das Fahren einer bestimmten Gesamt-Distanz im Spiel erhält. Die Supercars sind auch außerhalb des Karrieremodus fahrbar.

Apropos Karrieremodus: Hier hat sich im Vergleich zu F1 2021 nicht viel geändert. Es ist immer noch DIE Möglichkeit, seine eigene F1-Karriere so zu erleben, wie es einem gefällt: Volle oder verkürzte Terminkalender, Besitzer-Fahrer-Modus, R&D selbst in die Hand nehmen oder sich rein auf die fahrerische Seite konzentrieren – all das ist möglich. Allerdings gibt es auch neue Ansatzpunkte: Zu Beginn ihrer Karriere können SimRacer wählen, ob sie als Newcomer, Challenger oder Front Runner starten wollen. Die bewährten Einzel- und Mehrspielermodi sind wieder dabei, nur der bereits erwähnte Braking Point-Modus fehlt.
Neue Ergänzungen
Natürlich wäre es ein Rückschritt, keine neuen Inhalte hinzuzufügen. Natürlich sind die F1-Autos aus dem Jahr 2022 im Spiel, und die F2-Autos der aktuellen Saison sollen irgendwann folgen. Mit dem Grand Prix von Miami wird eine völlig neue Strecke in den Kalender aufgenommen, und die vor der Saison in Catalunya, Yas Marina und Melbourne durchgeführten Umbauten werden auch in F1 22 berücksichtigt.
Nach ihrer Einführung in der Saison 2021 sind nun auch Sprintrennen Teil des Spiels, wodurch die Wochenendformate die reale Saison genau widerspiegeln. Ein weiteres interessantes Feature, das das Tempo der Rennen verändern kann, ist der Broadcast-Präsentationsstil für Formationsrunden, Boxenstopps und Safety-Car-Phasen. Wenn er eingeschaltet ist, müssen die Spieler nicht selbst fahren, sondern können die jeweiligen Phasen des Rennens wie im Fernsehen mitverfolgen und so die Action unterbrechen. Der Modus kann für jede Phase separat aktiviert werden.
Eine nette neue Funktion für Einzelspieler-Rennen ist die adaptive KI: Anstatt mit dem Schwierigkeitsregler zu hantieren, um das perfekte Wettbewerbsniveau zu finden, ermöglicht diese Einstellung, dass die Gegner ihre Leistung an die der Spieler anpassen, was für Anfänger eine große Hilfe sein dürfte.
Eine der am meisten gewünschten Funktionen der letzten Jahre ist die Integration von Virtual Reality. Mit F1 22 hat das Warten nun ein Ende: Der Titel bietet zum ersten Mal in der Geschichte der Serie offiziell Kompatibilität. Zum Start werden der Valve Index, Oculus Quest 2 + Link Cable, Oculus Rift S, HTC Vive und HTC Vive Cosmos unterstützt.
Auf der Audio-Seite sorgt ein neuer EDM-basierter Soundtrack für frischen Wind in den Menüs und im Hintergrund einiger Szenarien wie dem Fahrerarbeitsplatz während der Rennwochenenden. Außerdem wurden die Kommentare neu aufgenommen und die Kommentatorenteams erweitert, um den Spielern mehr Abwechslung zu bieten.
Die Umgebungsgeräusche wurden ebenfalls verbessert – so ist es beispielsweise möglich, an bestimmten Abschnitten einiger Strecken, wie der Tosa-Kurve in Imola, Musik von den Campingplätzen der Fans zu hören. Das lässt die Strecke sehr lebendig wirken und schafft eine tolle Atmosphäre.
Grafik
F1 22 sieht wieder einmal fantastisch aus, und während F1 2021 schon ein Hingucker war, macht der Nachfolger einen weiteren Schritt in die richtige Richtung. Auch ohne Raytracing liefert das Spiel eine hübsche Grafik, die zur Immersion beiträgt – sei es bei Tag oder bei Nachtrennen.

Die Leistung des Spiels ist gut optimiert, und auch Systeme, die nicht mit der neuesten und besten Hardware ausgestattet sind, können mit einigen Anpassungen an der Grafik ein flüssiges Erlebnis bieten – ohne dass F1 22 schrecklich aussieht.
Fahrphysik
Das Herzstück des Erlebnisses ist natürlich die Fahrphysik. In Anbetracht der Änderungen an den realen Autos sind Unterschiede im Fahrverhalten auch in F1 22 zu erwarten. Die Autos verhalten sich anders, sind lebendiger als ihre Vorgänger und haben ein nervöseres Heck, das manchmal scheinbar aus dem Nichts ausbrechen kann. Auch mit dem Gaspedal muss man vorsichtig sein, da die Autos vor allem in den unteren Gängen stark durchdrehen, wenn die Traktionskontrolle ausgeschaltet ist.
Das Force-Feedback vermittelt meist gut, was die Autos tun, obwohl sich ankündigende Dreher manchmal schwer bis gar nicht zu spüren sind und daher nicht vermieden werden können. Generell scheint es selbst auf holprigeren Strecken wie Melbourne ein wenig an Straßendetails zu mangeln. Die Strecken fühlen sich größtenteils superglatt an, was vielleicht auf viele der modernen Strecken im F1-Kalender zutrifft, aber nicht auf alle von ihnen. Möglicherweise liegt das daran, dass in der F1-Serie weiterhin keine lasergescannten Strecken verwendet werden.
Erste Eindrücke und Fazit
Die F1-Spieleserie hat eine schwierige Aufgabe zu erfüllen: Auf der einen Seite muss sie Spaß machen und auch für Gelegenheits-F1-Fans und -Gamer zugänglich sein, auf der anderen Seite will sie auch die Aufmerksamkeit der SimRacer auf sich ziehen. Mit den enormen Möglichkeiten, die Einstellungen nach dem Geschmack des Spielers anzupassen, ist dies ein Balanceakt, den F1 22 wie seine Vorgänger, gut meistert.
Ohne Fahrhilfen ist das Spiel eine ziemliche Herausforderung, vor allem bei Autos, die im hinteren Teil der Startaufstellung zu Hause sind. Um die maximale Leistung aus ihnen herauszuholen, ist Übung unabdingbar. Dabei helfen die bereits bekannten Trainingsprogramme, die den Spieler motivieren und anspornen, sich zu verbessern und die Ziele zu erreichen.
Die KI ist auch in F1 22 sehr rasant, neigt aber dennoch von Zeit zu Zeit zu Fehlverhalten, vor allem, wenn man ihnen dicht auf den Fersen ist. Wenn man sich solchen Situationen mit genügend Vorsicht nähert, um ihnen nicht ins Heck zu fahren, wenn sie plötzlich das Bedürfnis verspüren, viel stärker zu bremsen, als sie sollten, kann man allerdings viel erreichen. Auf der anderen Seite sind sektorübergreifende Kämpfe mit der computergesteuerten Konkurrenz genauso gut möglich, was zu einem Erfolgserlebnis führt, wenn ein Überholmanöver tatsächlich gelungen ist.
F1 22 kann das sein, was der Spieler will, egal ob Rennspiel-Anfänger oder erfahrener SimRacer. Mit dem Beginn der neuen F1-Ära passt sich das Spiel an und legt den Grundstein für einen möglichen, viel individuelleren Karrieremodus in der Zukunft von F1 Life. Das Hinzufügen von Supercars könnte auch ein Hinweis auf die Erweiterung der Franchise in Richtung der GRID-Serie sein.
Da VR nun implementiert ist, könnten viele SimRacer, die das Feature bisher vermisst haben, dazu bewegt werden, der Serie jetzt eine echte Chance zu geben. Aber selbst auf einem reinen Monitor-Setup kommt F1 22 dem Gefühl, als Fahrer an einem F1-Rennwochenende teilzunehmen, so nahe wie möglich. Die Immersions-Abteilung ist sicherlich die Stärke der Serie – aber lasst euch nicht davon täuschen und denkt, dass F1 22 ein einfaches Spiel ist, das jeder SimRacer mit jahrelanger Erfahrung problemlos bewältigen kann – es ist eine größere Herausforderung, als es auf den ersten Blick scheint.