Wenn es um den Spannungs-Faktor geht, spielt Rallye bei den Motorsport-Disziplinen ganz vorn mit: Mit 200km/h über die unbefestigten Straßen in Finnlands Wäldern fliegen, durch die Serpentinen auf Portugals gnadenlosem Grob-Schotter driften oder im Sekundentakt durhc schnelle Kurven auf Spaniens Asphalt-Straßen schießen – die World Rally Championship macht all das und mehr. Mit dem letzten Titel der Serie aus ihrer Hand wollen Nacon und KT Racing diese Spannung besser als je zuvor festhalten – das Resultat ist WRC Generations.
Die WRC begann 2022 mit der Einführung von Hybrid-Fahrzeugen eine neue Ära, die Lizenz des offiziellen Spiels geht derweil ab 2023 an EA Sports. Nacon und KT Racing machen zum Abschluss aber keine halben Sachen – ganz im Gegenteil: WRC Generations kommt mit 56 Fahrzeugen samt legendärer Autos, obendrauf gibt’s mehr als 150 Rallye-Etappen in 22 Locations – tatsächlich hat der Titel allen Content der bisherigen Nacon/KT-Titel mit an Bord.
Natürlich macht eine große Auswahl an Inhalten noch kein gutes Fahrgefühl, weshalb SimRacing Unlimited sich WRC Generations genauer angesehen hat. Wie gut schlägt sich das letzte WRC-Spiel unter dem Nacon/KT-Banner? Lest weiter, um es herauszufinden.
Allgemein
SimRacer, die WRC 10 gespielt haben, dürften sich in Generations direkt wie zu Hause fühlen: Das Menü und das UI haben zwar einen frischen Anstrich bekommen, funktionieren aber im Wesentlichen genau wie im Vorgänger. Beim ersten Start von WRC Generations kann der Spieler an einer Testfahrt teilnehmen, anhand derer die Sim Schwierigkeits-Einstellungen vorschlägt. Dies geschieht jedoch, bevor man die Chance hat, Grundeinstellungen vorzunehmen, was bedeutet, dass Grafik, Audio und Steuerung direkt vor dem Start dieser Initial-Etappe zwischen Tür und Angel eingestellt werden müssen.
Ideal ist das nicht, vor allem, da es einige Versuche braucht, um das Force Feedback so einzurichten, wie man es gern hätte. Es ist allerdings auch möglich, den Test zu überspringen und so weiterzumachen, wie man es selbst bevorzugt.
Grafik
WRC Generations hat das Potenzial, großartig auszusehen und eine immersive Atmosphäre zu schaffen. Wechsel im Lichteinfall je nach Umgebung, und selbst an einem sonnigen Tag wirken dichte Wälder recht dunkel – abgesehen von einfallenden Sonnenstrahlen an Lücken in den Baumkronen, natürlich. Je nach Wetterlage macht sich Nebel breit, Schnee und Regen können mitten in einer Stage anfangen zu fallen, und Nacht-Etappen bieten noch einmal eine ganz eigene Atmosphäre, mit Leuchtfeuern und großen sowie kleinen Lichtmasten in Zuschauer-Bereichen, aber auch Dunkelheit in anderen Segmenten, die nur von den Scheinwerfern durchschnitten wird.
Allerdings kostet dies – und zwar jede Menge Leistung: WRC Generations ist relativ hardware-hungrig, und auf Mittelklasse-PCs kann es zur Herausforderung werden, 60fps zu erreichen, ohne zu viel visuelle Qualität opfern zu müssen. Natürlich ist die Grafik nicht das wichtigste aller Gameplay-Elemente, aber es schmälert die Erfahrung trotzdem, wenn man sich mit signifikanten Downgrades, die in einem etwas leblosen Look münden, zufriedengeben muss.

Audio
Wie schon in WRC 10 schafft es die Geräuschkulisse in WRC Generations glaubhaft zu vermitteln, dass man gerade in einer Offroad-Rakete mit bis zu 500 PS sitzt: Motor und Getriebe schreien, Kies prasselt im Radkasten, während man durch die Stages sprintet, und die Zuschauer können ebenfalls gehört werden. Einige Bereiche der Etappen haben fast Arena-Charakter, und dort herrscht Party-Atmosphäre, die Menge jubelt und feuert mit Luftdruck-Tröten an.
Noch wichtiger ist natürlich, dass die Ansagen des Copiloten angepasst werden können, was das Timing angeht. Die Pace Notes werden flüssig vorgetragen und sind gut verständlich, wodurch sie ihren Zweck gut erfüllen – und mit der Option für immersive Audio des Copiloten fühlen sie sich noch realer an, wenn euer Beifahrer auf große Sprünge oder Unfälle reagiert.
Gameplay
Was das Fahren angeht macht WRC Generations dort weiter, wo der Vorgänger im vergangenen Jahr aufgehört hat: Fühlte sich das Fahren auf Schotter und Schnee in WRC 10 zeitweise noch behäbig und untersteuernd an, verhalten sich die Autos nun viel eher, wie man es erwarten würde und sind dabei gut vorhersehbar, lassen es den Fahrer aber auch wissen, wenn er es übertrieben hat. Ob das an Verbesserungen der Physik-Engine, besseren Basis-Setups oder beidem liegt, ist nicht ganz klar, aber es ist definitiv eine willkommene Verbesserung. Selbst auf Schnee und Eis macht das Fahren immensen Spaß – und das kann in einem Rallye-Spiel schwierig zu erreichen sein.
Asphalt-Etappen fühlen sich indes wie schon in WRC 10 hervorragend an: Das Kurven-Schnellfeuer in Spanien oder die engen Kurven in kleinen Dörfern in Belgien machen immensen Spaß, und die Autos verhalten sich dabei extrem agil und aktiv.
Durch die Einführung der Rally1-Autos kommt mit dem Hybrid-Mapping ein neues Element ins Spiel. SimRacer müssen sich aber nicht auch während der Fahrt damit herumplagen, ständig die Hybrid-Einstellung anzupassen: Wie in der echten WRC auch muss das Mapping vor dem Start einer Stage festgelegt und darf danach nicht mehr verändert werden. Ein ausbalancierter Modus ist verfügbar, hinzu kommen einer für Beschleunigung (der die Batterie schneller leert) sowie einer für Topspeed (der länger hält). Den Charakter einer Stage genau zu kennen ist dadurch also noch wichtiger geworden. Autos aus den tieferen Klassen wie WRC2 und 3 haben das System allerdings nicht an Bord.
Rallye-Länge und Schadenseffekte sind erneut je nach Präferenz einstellbar. Die PermaCrash-Funktion feiert ebenfalls sein Comeback: Ist sie eingeschaltet, kann eine Etappe nicht mehr neu gestartet werden, was einen weiteren Faktor für die Herangehensweise an eine Stage bedeutet, da Unfälle und davongetragene Schäden so viel mehr Zeit kosten können.

Spielmodi
Der Kern von WRC Generations ist weiterhin der Karriere-Modus. Hier können SimRacer sich einen Namen als Fahrer und Teammanager zugleich machen, entweder bei einem Werks-Team oder ihrer eigenen Mannschaft. Natürlich können komplette Saisons auch ohne den Management-Aspekt im Saison-Modus in Angriff genommen werden.
Der Anniversary-Modus aus WRC 10 wurde nicht übernommen, aber der Multiplayer den brandneuen Liga-Modus hinzugewonnen: SimRacer werden mit ähnlich schnellen in Ligen eingeteilt – dazu müssen sei einen Qualifikations-Run über drei Stages absolvieren, deren Gesamtzeit entscheidend ist. Für den Run haben sie drei Versuche. Im Liga-Modus warten dann tägliche und wöchentliche Herausforderungen.
Absolut rätselhaft ist derweil, dass es auch in WRC Generations nicht möglich ist, eine komplette Rallye außerhalb des Karriere- oder Saisonmodus zu bestreiten. Zwar kann jede Etappe in jedem Auto einzeln gefahren werden, aber die Option, ein komplettes Event zu fahren, sucht man wieder vergebens – eine merkwürdige Auslassung.
Andere Spielmodi sind unter anderem der Testbereich, in dem frei gefahren und das Setup angepasst werden kann, Trainings-Rundkurse, Multiplayer-Leaderboards oder der Copiloten-Modus, in dem ihr euch einen Freund schnappen und euch von ihm die Pace Notes vorlesen lassen könnt oder umgekehrt.
Locations
WRC Generations ist mit mehr Stages als je zuvor in der Serie randvoll gepackt: Über 150 verschiedene Etappen (einige davon Rückwärts-Versionen) sind dabei, wozu auch die neue Location der Rallye Schweden zählt. Anstelle von engen Kurven zwischen aufgeschobenen Schneewänden geht es nun unglaublich schnell zur Sache, was den Spieler mit dem permanenten Gefühl zurücklässt, angesichts der eisigen Bedingungen niemals so schnell unterwegs zu sein sollen, wie er es gerade ist – eine Stage geschafft zu haben fühlt sich dadurch aber wie eine echte Errungenschaft an.
Dies gilt besonders für die längeren Etappen: Während der Großteil der Stages unter zehn Kilometer misst, können Ausdauer-Stages auch 25 Kilometer lang sein, was teilweise in 15 Minuten Fahrzeit und mehr resultiert.
Fahrzeuge
Natürlich bringt das offizielle WRC-Spiel die neuen Rally1-Fahrzeuge von 2022 mit. Das ist aber nicht alles: Die Nachwuchsklassen WRC2 und WRC3 sind ebenfalls an Bord – genau wie eine lange Liste an legendären Fahrzeugen von 1972 bis 2021. Egal, ob ihr ein Gruppe-B-Monster der 1980er Jahre fahren oder Colin McRaes Glanzzeiten der 90er wieder aufleben lassen wollt, ihr findet die entsprechenden Autos, um sie in den verschiedenen Locations auf der ganzen Welt zu fahren.
Der Peugeot 206 WRC von Marcus Grönholm und Timo Rautiainen aus dem Jahr 2002 ist als Vorbesteller-Bonus verfügbar, der Citroen C4 WRC von Sebastien Loeb und Daniel Elene aus dem Jahr 2010 ist derweil Teil der Deluxe Edition.
Fazit
Der letzte Teil der WRC-Serie von Nacon und KT Racing wagt den bemerkenswerten Aufwand, unzählige Content-Teile aus den vergangenen Jahren mit aktuellen Inhalten zu vereinen. Mit über 150 Stages und mehr als 50 Fahrzeugen dürfte SimRacern so schnell nicht langweilig werden, und die neuen Rally1-Autos der Saison 2022 zu fahren ist für jeden Rallye-Fan ein Schmankerl.
Visuell ist WRC Generations unter den richtigen Voraussetzungen beeindruckend – auf Mittelklasse-PCs kann die Performance aber nur schwierig zu optimieren sein, ohne zu viel Qualität zu opfern. Gestützt durch die großartige Audio-Umgebung schafft die Sim es aber trotzdem, eine immersive Atmosphäre herzustellen, die es greifbar macht, wie es sein muss, an einem WRC-Event teilzunehmen.
Die vielen Spielmodi sorgen für Abwechslung, wobei es weiterhin nicht nachvollziehbar ist, wie ein Modus für einzelne Rallyes weiterhin fehlen kann. Aber auch ohne ihn werden Spieler reichlich Optionen finden, die sie beschäftigen – besonders, dass das Fahren auf losem Untergrund in WRC Generations deutlich besser ist als im vergangenen Jahr. Bei schier unmöglichen Geschwindigkeiten quer auf Schotter zu fahren wurde selten so gut umgesetzt.